Holy Land, Middle East, Reise Rouven und Andreas 2017

One day in Hebron

Am Sonntag (19.11.) fuhren wir mit einem Sammeltaxi nach Hebron wo wir als erstes die Wohnung des Christian Peacemakerteams suchten. Ein junges Team begrüßte uns und erzählte von den Schikanen, denen die Palästinenser in der Altstadt von Hebron ausgesetzt sind. Derzeit verunsichert die Bevölkerung vor allem die Tatsache, daß den jüdischen Siedlern von der Israelischen Administration ein sogenanntes „Stadtverwaltungsrecht“ oder „Bürgerrecht“ in Hebron zugesprochen worden ist. Dies löst Verwirrung und Fragen aus, weil schwer abzuschätzen ist was dies rechtlich und in der Folge praktisch für die palästinensischen Bewohner bedeutet. Wir konnten auch bei jüdischen Freunden in Jerusalem nichts Näheres diesbezüglich in Erfahrung bringen. Außer in Hebron trafen wir niemanden, der von diesen Neuigkeiten gehört hatte.

Anschließend trafen wir Anna vom Hebron Team des EAPPI. Sie nahm sich Zeit obwohl ihr Team in den Tagen im Prozess der Übergabe an das neue Team war. Sie sah es als ihre vorrangige Aufgabe wo immer möglich Gästen von den Erfahrungen in Hebron zu berichten. Mit ihr besuchten wir die Abrahams Moschee, die das zentrale Heiligtum für Juden, Christen und Muslime in Hebron ist. Dieses ist heute zweitgeteilt, wobei der als Synagoge gestaltete Teil Juden vorbehalten ist. Im Vergleich zum Besuch vor einem Jahr sind die zwei Checkpoints, die man durchqueren muß um in die Mosche zu gelangen, wesentlich ausgebaut. Sie sind heute massive Einrichtungen die auf lange Dauer ausgerichtet erscheinen. Vor allem ersterer, Checkpoint zwischen den Bereichen Hebron H1 und H2 führt die Durchlassrate von jeweils nur 1-2 Personen auf einmal zwangsläufig zu langen Staus. Hier ist die Präsenz und Beobachtung durch EAPPI und TIPH (Temporäre Internationale Präsenz Hebron der EU) sehr wichtig um Probleme zu melden und wenn möglich darauf zu reagieren. Der allgemeinen Geduld, mit der Palästinenser sich anstellen und dieses auch selbständig organisieren gilt unsere Hochachtung!

Entlang der für Palästinenser gesperrten Shuhada Straße, die zu der kleinen illegalen Siedlung Tel Rumeida führt, kann man eine immer stärkere jüdische Präsenz durch bauliche Einrichtungen wahrnehmen. Hier wird auch auf Infotafeln in hebräischer und englischer Sprache die Geschichte der Vertreibung und Wiederansiedlung jüdischer Bevölkerung aus anderer Perspektive dargestellt. Das Unrecht der Vertreibung ist real – damals wie heute! Wie können wir Menschen aufzeigen, dass „Auge um Auge“ immer noch alle blind macht?

Nach einigen für die Sicherheit der internationalen Beobachter relevanten Situationen, gerade auch in Hebron, ist die Balance zwischen Sicherheit der EAs und der Möglichkeit, bei heiklen Situationen anwesend zu sein und zu beobachten, oft schwierig, erzählte uns Anna.

Am Nachmittag suchten wir unseren Gastgeber für die Nacht in der Hebron University auf. Über die Organisation SERVAS (www.servas-austria.org) hatten wir Kontakt zu einer fünfköpfigen Familie bekommen. Der Vater ist Leiter des Büros des Präsidenten der Universität und hat bereits vielfältige internationale Seminare in Gewaltfreiheit und Kommunikation besucht. Auch er muss, wie alle Palästinenser, bei Auslandsreisen auf dem Landweg nach Amman, Jordanien, fahren, da Palästinenser nicht den Ben-Gurion Flughafen Tel-Aviv benutzen dürfen. Die Familie mit einem Sohn und zwei Töchtern nahm uns herzlich auf und gemeinsam genossen wir ein typisches Abendessen aus Hebron: Safranreis mit Hühnerfleisch.

Den Abend verbrachten wir zum Teil mit angeregten Gesprächen, auch über die politische Situation in Nahost. Die Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1949 wird immer noch befürwortet, wobei kein Problem darin gesehen wird, daß die Bewohner der dzt. illegalen jüdischen Siedlungen Glieder des palästinensischen Staates sein könnten. Auffällig war, wie sehr alle Familienmitglieder sich am Gespräch beteiligten, aktiv zuhörten und offen waren für Ansichten und Probleme von jüdisch-israelischer Seite. Was uns auch auffiel, war die offene, interessierte, entspannte, ja fröhliche Atmosphäre in der Familie, wie wenn es keine Besatzung mit all ihren Konsequenzen ausserhalb des Hauses gäbe! Sicher gab und gibt es auch Situationen in denen die Mutter Angst um ihre Kinder hat, wie sie uns erzählte.

Die Gesellschaft in Hebron wurde als eher konservativ beschrieben; ein Grund, warum es an der Universität mit 70% deutlich mehr Frauen als Männer gibt. Die Frauen sollen für ihre Studien möglichst nicht das familiäre Umfeld verlassen müssen. Die beiden Töchter träumen allerdings davon, einmal in England studieren zu können.

Die Mutter ist in Saudi Arabien geborene Palästinenserin und verlor durch die Heirat mit ihrem in Hebron lebenden Cousin ihren Aufenthaltsstatus in Saudi Arabien. Der Pass wurde ihr abgenommen und erst im Flugzeug bei der Ausreise wieder übergeben. In Saudi Arabien hatte sie als OP Krankenschwester gearbeitet und kam vor ca. 20 Jahren in ein Hebron mit deutlich niedrigerem Lebensstandard als sie es in ihrer Jugend gewohnt gewesen war. In dem großen Doppelhaus, welches gemeinsam mit dem Bruder des Vaters bewohnt wird, standen uns im Untergeschoß mehrere Räume zur Übernachtung zur Verfügung. Die Familie hat selten aber immer wieder SERVAS Gäste aus verschiedensten Ländern.

Auf der kurzen nächtlichen Erkundungsfahrt durch das moderne Hebron kamen wir auch in einen kleinen gewöhnlichen Supermarkt und fanden dort auch alle möglichen bekannten Produkten europäischer Marken. Außerdem Honig aus dem Kibbuz Yad Mordechai der 10km nördlich des Gaza Streifens liegt, und auch allerlei andere landwirtschaftliche Produkte aus jüdischen Siedlungen im Jordantal waren eine Selbstverständlichkeit.