Neueste Artikel

Jesus Trail, 1. Day

Trotz anderer Wettervorhersage begrüßte uns auch der Mittwoch (22.11.) mit Regen. Da brauchte es schon etwas innere Überwindung um uns auf den geplanten Fußweg nach Tiberias zu machen! Wir wollten zwei Tage entlang des Jesus Trail der Route folgen, der schon vor uns tausende Menschen auf ihrer Reise von den Höhen Galiläas zum See Genezareth hinunter gefolgt sind. Die Topographie gibt vor, wie man hier am besten geht, und so wird auch Jesus Teile dieses Weges öfters benutzt haben.

Nach Erklimmen der Höhe von Nazareth öffnet sich der erste Blick auf die Ebene Galiläas, die sich über die Klippen des Arbel und die Hörner von Hittin zum See Genezareth hinunter zieht. Über fruchtbare Böden, die im feuchten Zustand massig an den Schuhen kleben bleiben, und leider auch vorbei an unmengen Haus- und Sperrmüll wanderten wir bei angenehm kühlem Wetter nach Zippori hinunter.

Diese Stadt „Sephoris“ war zur Zeit Jesu die Hauptstadt Galiläas und wesentlich bedeutender als Nazareth. Mit einem griechischen Theater, einer Synagoge und prachtvollen Mosaiken („Mona Lisa von Galiläa“) war sie ein Zentrum Hellenistischer Kultur. Den Bewohnern dieser Stadt gelang es auch, eine Vereinbarung mit den römischen Besatzern zu treffen, sodaß ihre Stadt in beiden jüdischen Kriegen (70 und 135 CE) anders als Gamla am Golan oder Jerusalem nicht zerstört wurde. Umso verwunderlicher ist es, daß diese Stadt nie in der Bibel erwähnt wird. Wo soll Jesus in seinen 30 Jahren Leben in Nazareth als Bauhandwerker sonst gearbeitet haben, wenn nicht auch in der nur 12km entfernten „Metropole“? Ob er wohl einmal ein griechisches Theater besucht und von dort das Bild der „Masken“ übernommen hat, welches er in den Vorhaltungen gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten verwendet?

Für eine Besichtigung der reichhaltigen Ausgrabungen nahmen wir uns diesmal keine Zeit. Nach einer guten Rast, einem informativen Film und der Reinigung unserer Schuhe wanderten wir weiter Richtung Kana.

Durch Wälder und Olivenhaine führt der vielfältig markierte Weg (auch: Gospel Trail, Israel Trail), und immer wieder stießen wir auch auf rot-weiß-rote „Jerusalem Way“ (www.jerusalemway.org) Aufkleber. Es ist wirklich bedauerlich, wie wenig Achtsamkeit viele einheimische Menschen für die wunderschöne Natur haben. Müllberge überall, wo der Weg unbeirrt hindurch führt – mehr als nur Überbleibsel eines Picknicks. Hat dies mit schlechter Infrastruktur der Müllentsorgung zu tun? Möchten Menschen sich Müllgebühren sparen…? Fragen die offen bleiben. Manchmal reißt einen der Lärm eines Quads das über die Wanderwege rattert aus der beschaulichen Stille.

Im heutigen Kana angekommen, das vermutlich nicht das Kana der biblischen Zeit ist, stärkten wir uns mit Falafel. Es war abzusehen, dass wir die verbliebenen rund 15km bis zu unserem Etappenziel nicht unbedingt vor dem frühen Einbruch der Dunkelheit schaffen würden. Dieser Umstand beschäftigte uns. Klar wollten wir den ganzen Weg zu fuß zurück legen. In wolkenverhangener Dunkelheit durch eher waldige und fremdes Gelände zu wandern erschien zumindest Andreas nicht wirklich attraktiv. Während wir überlegten öffneten sich die Schleusen des Himmels und unvermutet begann es massiv zu schütten! Nicht wirklich glücklich mit dieser Lösung entschieden wir uns dennoch mit dem Bus so nahe wie möglich zum Moshav Ilaniya zu fahren. Dort erreichten wir ziemlich naß unser Nachtquartier, die kleine, auf Tourismus ausgelegte Öko-Farm „Yarok Az“ (https://jesustrail.com/hike-the-jesus-trail/accommodations/yaroz-az-organic-goat-farm).

Wie auch bei uns wird es in Israel immer schwieriger, mit Landwirtschaft ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Im Sommer dürften dort viele Wanderer übernachten; wir waren an diesem Abend die einzigen Gäste. Möglichkeit zu Übernachten gibt es im eigenen Zelt, in großen Kuppelzelten („Dome“) und in Privatzimmern. Selbst in den Domes, in denen es recht gemütlich sein kann, erlebt man den Luxus einer Klimaanlage, die uns gut zum Heizen diente. Gemütliche Sitzgruppen im Freien, Esstische und eine Gemeinschaftsküche sind Orte die zu Kommunikation unter den Gästen einladen. Im kleinen Supermarkt des Ortes versorgten wir uns mit dem Nötigen um zusammen mit zurückgelassenen Lebensmitteln früherer Gäste ein gutes Abendessen zuzubereiten. Die Nacht verbrachten wir trocken und warm genug um gut zu schlafen.

Der Moshav Ilaniya ist wie vieles ein geschichtsreicher Boden und Ort. Antike Höhlen und Reste einer byzantinischen Synagoge finden sich dort, außerdem ist er Gründungsort von Ha’Shomer (Der Wächter), einer israelischen Verteidigungsorganisation. Von 1899, dem Jahr der Gründung des Moshav, bis 1948, gab es ein gutes Einvernehmen mit den Bewohnern des benachbarten arabischen Dorfes Shejara, bevor dessen Bevölkerung 1948 vom israelischen Militär vertrieben wurde.

With Johannes Zang to Galilee

Am Dienstag (21.11.) trafen wir morgens wieder auf die Gruppe von Johannes Zang, mit der wir nach Galiläa fahren durften. Zuerst besuchten wir den Ölberg mit Pater Noster Kirche, Dominus Flevit Kapelle und Kirche der Nationen in Gethsemane. Auch hier am Ölberg in Ostjersualem ist die Infiltration durch jüdische Siedler nicht zu übersehen. Eine riesige Israelische Flagge auf einem Haus nahe der Pater Noster Kirche zeigt die Besitzansprüche religiös extremistischer Juden. Welche Kraft kann da das immerwährende Gebet um Frieden der im Kloster neben der Pater Noster Kirche lebenden Französischen Karmelitinnen als Gegengewicht entfalten? Interessant ist vielleicht, daß hier die dritte große Basilika stand die unter der Hl. Helena neben der Auferstehungskirche und Geburtskirche gebaut worden ist. So groß ist die Bedeutung, die dem Vater Unser zu gesprochen wurde! Eine kleine Felsgrotte vor der Kirche lädt immer noch ein, die Bitten dieses zentralen christlichen Gebets zu verinnerlichen.

Am Weg ins Kidrontal passierten wir die Orthodoxe Maria Magdalena Kirche. Es fügte sich, daß wir genau innerhalb der seltenen Öffnungszeit vorbei kamen. Diese Kirche erinnert an die Begegnung von Maria Magdalena mit dem Auferstanden Christus. In einem Gemälde präsentiert Maria Magdalena dem römischen Kaiser Tiberius ein (rotes) Ei, als Symbol des auferstandenen Christus mit dem Ausruf „Christus ist auferstanden!“. Sowohl der in der orthodoxen Kirche gebräuchliche Gruß zu Ostern als auch das Schenken bemalter Eier wird auf dieses Ereignis zu rück geführt. Die Legende sagt, das weiße Ei hätte sich erst rot gefärbt als der Kaiser Maria Magdalena höhnisch verlachte: „Eher färbt sich dieses Ei rot, als daß Christus auferstanden ist!“.

In der Kirche der Nationen erlebten wir wieder den Massenandrang der Touristen, die teilweise für eine Eintagestour im Bus von den Kreuzfahrtschiffen in Ashod durch Jerusalem und Bethlehem geschleust werden.

Die Wanderung mit der Pilgergruppe durch das Wadi Qelt von Ein Qelt zum St. Georgs Kloster mußte leider abgesagt werden. Heftiger Regen in der Nacht und am frühen Morgen hätte dies zu gefährlich gemacht. Von den Einheimischen seit langem ersehnt verunmöglichte er uns ein erträumtes Highlight unserer Reise.

Auf der Fahrt durch das Jordantal kamen wir an vielen Plantagen israelisch-jüdischer Siedlungen vorbei, deren Produkte faktisch aus besetztem Palästinensischen Gebiet stammen und dennoch nach wir vor als Israelische Produkte mit Zollvergünstigung in der EU eingeführt werden.

Beim Parkplatz am Fuße des Berges Tabor verließen wir die Gruppe und fuhren mit einem öffentlichen Bus nach Nazareth. Dort gaben uns die Kleinen Brüder von Jesus Caritas Herberge für eine Nacht. Die kleine dreiköpfige Priestergemeinschaft lebt in Räumlichkeiten, in denen Charles de Foucauld Ende des 19. Jhd. beim Kloster der Klarissinnen gelebt hat. Herzliche Gastfreundschaft, einfaches Leben und lebendiges Gebet zeichnet ihr Leben aus. Mit Freude nahm Andreas wahr, daß einer der Brüder ebenfalls in der Krankenhausseelsorge tätig ist. Abendliches Gebet mit Taizeliedern und morgendliche Eucharistiefeier waren besinnliche Zeiten auf unserem persönlichen Pilgerweg.

Back to Ein Karem

Am Montag (20.11.) Morgen freuten wir uns noch an dem gepflegten Garten unserer Gastgeberfamilien. Dann machten wir uns auf die Rückreise nach Ein Karem. Wir nutzten den Tag für Besuche (die Zisternen unterhalb des Ecce Homo und die St. Anna Kirche) und Einkäufe in Jerusalem, und Bildung in „österreichischer Kultur“. Einer Brasilianischen Novizin war es ein großes Anliegen, uns die Filme über die Trapp Familie zu zeigen. Daß sie die Lieder von „Sound of Music“ auswendig kennt war genau so selbstverständlich, wie die Überraschung, daß wir sie nicht kennen und diese auch nicht zu unserem Volksliedgut gehören. Gemeinsames Gebet, „Bibel Teilen“ und Essen waren bereichernde Erfahrungen ihrer Gemeinschaft.

One day in Hebron

Am Sonntag (19.11.) fuhren wir mit einem Sammeltaxi nach Hebron wo wir als erstes die Wohnung des Christian Peacemakerteams suchten. Ein junges Team begrüßte uns und erzählte von den Schikanen, denen die Palästinenser in der Altstadt von Hebron ausgesetzt sind. Derzeit verunsichert die Bevölkerung vor allem die Tatsache, daß den jüdischen Siedlern von der Israelischen Administration ein sogenanntes „Stadtverwaltungsrecht“ oder „Bürgerrecht“ in Hebron zugesprochen worden ist. Dies löst Verwirrung und Fragen aus, weil schwer abzuschätzen ist was dies rechtlich und in der Folge praktisch für die palästinensischen Bewohner bedeutet. Wir konnten auch bei jüdischen Freunden in Jerusalem nichts Näheres diesbezüglich in Erfahrung bringen. Außer in Hebron trafen wir niemanden, der von diesen Neuigkeiten gehört hatte.

Anschließend trafen wir Anna vom Hebron Team des EAPPI. Sie nahm sich Zeit obwohl ihr Team in den Tagen im Prozess der Übergabe an das neue Team war. Sie sah es als ihre vorrangige Aufgabe wo immer möglich Gästen von den Erfahrungen in Hebron zu berichten. Mit ihr besuchten wir die Abrahams Moschee, die das zentrale Heiligtum für Juden, Christen und Muslime in Hebron ist. Dieses ist heute zweitgeteilt, wobei der als Synagoge gestaltete Teil Juden vorbehalten ist. Im Vergleich zum Besuch vor einem Jahr sind die zwei Checkpoints, die man durchqueren muß um in die Mosche zu gelangen, wesentlich ausgebaut. Sie sind heute massive Einrichtungen die auf lange Dauer ausgerichtet erscheinen. Vor allem ersterer, Checkpoint zwischen den Bereichen Hebron H1 und H2 führt die Durchlassrate von jeweils nur 1-2 Personen auf einmal zwangsläufig zu langen Staus. Hier ist die Präsenz und Beobachtung durch EAPPI und TIPH (Temporäre Internationale Präsenz Hebron der EU) sehr wichtig um Probleme zu melden und wenn möglich darauf zu reagieren. Der allgemeinen Geduld, mit der Palästinenser sich anstellen und dieses auch selbständig organisieren gilt unsere Hochachtung!

Entlang der für Palästinenser gesperrten Shuhada Straße, die zu der kleinen illegalen Siedlung Tel Rumeida führt, kann man eine immer stärkere jüdische Präsenz durch bauliche Einrichtungen wahrnehmen. Hier wird auch auf Infotafeln in hebräischer und englischer Sprache die Geschichte der Vertreibung und Wiederansiedlung jüdischer Bevölkerung aus anderer Perspektive dargestellt. Das Unrecht der Vertreibung ist real – damals wie heute! Wie können wir Menschen aufzeigen, dass „Auge um Auge“ immer noch alle blind macht?

Nach einigen für die Sicherheit der internationalen Beobachter relevanten Situationen, gerade auch in Hebron, ist die Balance zwischen Sicherheit der EAs und der Möglichkeit, bei heiklen Situationen anwesend zu sein und zu beobachten, oft schwierig, erzählte uns Anna.

Am Nachmittag suchten wir unseren Gastgeber für die Nacht in der Hebron University auf. Über die Organisation SERVAS (www.servas-austria.org) hatten wir Kontakt zu einer fünfköpfigen Familie bekommen. Der Vater ist Leiter des Büros des Präsidenten der Universität und hat bereits vielfältige internationale Seminare in Gewaltfreiheit und Kommunikation besucht. Auch er muss, wie alle Palästinenser, bei Auslandsreisen auf dem Landweg nach Amman, Jordanien, fahren, da Palästinenser nicht den Ben-Gurion Flughafen Tel-Aviv benutzen dürfen. Die Familie mit einem Sohn und zwei Töchtern nahm uns herzlich auf und gemeinsam genossen wir ein typisches Abendessen aus Hebron: Safranreis mit Hühnerfleisch.

Den Abend verbrachten wir zum Teil mit angeregten Gesprächen, auch über die politische Situation in Nahost. Die Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1949 wird immer noch befürwortet, wobei kein Problem darin gesehen wird, daß die Bewohner der dzt. illegalen jüdischen Siedlungen Glieder des palästinensischen Staates sein könnten. Auffällig war, wie sehr alle Familienmitglieder sich am Gespräch beteiligten, aktiv zuhörten und offen waren für Ansichten und Probleme von jüdisch-israelischer Seite. Was uns auch auffiel, war die offene, interessierte, entspannte, ja fröhliche Atmosphäre in der Familie, wie wenn es keine Besatzung mit all ihren Konsequenzen ausserhalb des Hauses gäbe! Sicher gab und gibt es auch Situationen in denen die Mutter Angst um ihre Kinder hat, wie sie uns erzählte.

Die Gesellschaft in Hebron wurde als eher konservativ beschrieben; ein Grund, warum es an der Universität mit 70% deutlich mehr Frauen als Männer gibt. Die Frauen sollen für ihre Studien möglichst nicht das familiäre Umfeld verlassen müssen. Die beiden Töchter träumen allerdings davon, einmal in England studieren zu können.

Die Mutter ist in Saudi Arabien geborene Palästinenserin und verlor durch die Heirat mit ihrem in Hebron lebenden Cousin ihren Aufenthaltsstatus in Saudi Arabien. Der Pass wurde ihr abgenommen und erst im Flugzeug bei der Ausreise wieder übergeben. In Saudi Arabien hatte sie als OP Krankenschwester gearbeitet und kam vor ca. 20 Jahren in ein Hebron mit deutlich niedrigerem Lebensstandard als sie es in ihrer Jugend gewohnt gewesen war. In dem großen Doppelhaus, welches gemeinsam mit dem Bruder des Vaters bewohnt wird, standen uns im Untergeschoß mehrere Räume zur Übernachtung zur Verfügung. Die Familie hat selten aber immer wieder SERVAS Gäste aus verschiedensten Ländern.

Auf der kurzen nächtlichen Erkundungsfahrt durch das moderne Hebron kamen wir auch in einen kleinen gewöhnlichen Supermarkt und fanden dort auch alle möglichen bekannten Produkten europäischer Marken. Außerdem Honig aus dem Kibbuz Yad Mordechai der 10km nördlich des Gaza Streifens liegt, und auch allerlei andere landwirtschaftliche Produkte aus jüdischen Siedlungen im Jordantal waren eine Selbstverständlichkeit.

With Johannes Zang in Bethlehem

Den Samstag (18.11.) verbrachten wir mit einer Deutschen Pilgergruppe, die von unserem Freund Johannes Zang begleitet wurde. So erlebten wir eine stimmungsvolle Messe in einer Grotte auf den Hirtenfeldern bevor wir Jack Giacaman in einer seiner Olivenholzwerkstätten besuchten. Von Jack stammt die neue Krippe die für das Bezirksaltenheim in Leonding und Kreuze für die Stationen im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern, Linz gekauft wurden. Jack bietet mehreren Menschen Arbeit wobei er auch bei guter Bezahlung immer wieder Schwierigkeiten mit der Verlässlichkeit seiner Mitarbeiter hat.

Den Nachmittag verbrachten wir bei Daoud Nassar auf seinem Weinberg; dem Projekt „Tent of Nations“ (www.tentofnations.org). Die Jeshiva (Jüdische Tora-Schule), die ausserhalb an die an sein Land angrenzende Siedlung Neve Daniel gebaut wird, hat bereits ihren Betrieb aufgenommen. Die Zufahrt ist mit Begrenzungsmauer stark verändert worden und die Sorge, ob die Zufahrt von der Umgehungsstraße 60 ganz gesperrt wird, besteht nach wie vor. Der Rechtsstreit bezüglich der Eigentumsrechte an seinem Hügel wurde vom Obersten Gerichtshof Israel wieder an das Militärgericht zurück gegeben. Es ist nicht das einzige Mal, das wir auf unserer Reise von Blankochecks hören, welche Juden für den Kauf palästinensischen bzw. nicht jüdischen Eigentums anbieten. In Daouds Fall ist dies umso paradoxer, da ihm auf anderer Seite das Eigentum nach wie vor nicht zuerkannt wird. Daoud beschreibt , daß Gewalt, Resignation und Emigration für ihn und seine Familie keine Optionen sind. Also verfolgen sie weiterhin ihren vierten Weg gewaltfreier Standhaftigkeit und Entwickelung seines Landes, auf welchem jeder Mensch guten Willens herzlich willkommen ist. Erstmalig ist eine junge jüdische Israelin als Volontärin zu Gast. Sie stammt aus Tel Aviv und überbrückt die Zeit bis zu ihrem zivilen Militärersatzdienst. Sie will aus eigener Erfahrung über das Leben der von drei illegalen jüdischen Siedlungen/Kleinstädten umgebenen Familie berichten.

Wir sind sehr dankbar für die freundliche Aufnahme durch die Reisegruppe mit der wir am Morgen schon die Crèche der Vinzentinerinnen (Barmherzige Schwestern) (www.creche-bethleem.org) besucht hatten. Dieses einzige Waisenhaus Palästinas für Kinder von 0-6 Jahren gibt Kindern lediger Mütter eine Lebenschance und Zukunft. Manche Kinder werden auf der Straße gefunden, die meisten müssen nach der bewußt früh eingeleiteten Geburt im angrenzenden Malteserspital von den Müttern mit einer Verzichtserklärung zurück gelassen werden. Die Mütter sehen ihr Kind nie, eine Adoption ist im islamischen Recht nicht vorgesehen und die Väter werden in den seltensten Fällen benannt. In der Regel werden die jungen Frauen durch sexuellen Mißbrauch im Familienumfeld schwanger. Jährlich gibt es 30-40 „Ehrenmorde“ an ledigen Müttern, wobei auch diese Täter meist aus der Familie stammen. Manchmal kommen die Täter (Mißbrauchstäter wie Mörder) für wenige Monate ins Gefängnis und werden bald wieder frei gelassen.

Visit L’Arche and the Old City of Jerusalem

Am Freitag (17.11.) besuchten wir vormittags die Werkstätte für Menschen mit Behinderungen „Ma’an LilHayat“ (Gemeinsam für das Leben / www.maanlilhayat.ps) der Organisation L’Arche. Mit Freude wurden wir von teilweise schon bekannten Menschen aufgenommen. Gemeinsames Filzen von Weihnachtskrippen war eine vergnügliche Beschäftigung. Beim gemeinsamen Frühstück mit Saft, Fladenbrot mit Olivenöl und Zatar und österreichischen Lebkuchen wurde mit viel Lebhaftigkeit aus dem Alltagsleben erzählt und an Hand von Bildtafeln das morgendliche Ritual vom Aufstehen bis zum Eintreffen in der Tagesheimstätte besprochen. Rania erzählte uns von großer Betroffenheit der Mitglieder über den eher unerwarteten Tod von drei Klienten in den letzten Monaten. Mahera, die Direktorin haben wir diesmal leider nicht angetroffen.

Den Nachmittag nutzten wir, um die Altstadt von Jerusalem zu erkunden. Was wir schon in Bethlehem bemerkt hatten, zeigte sich auch dort: unzählige Touristen- und Pilgergruppen strömen durch die Straßen, an mehreren Stellen hören wir, dass zurzeit außergewöhnliche viele Gruppen ins heilige Land kommen. Am Freitag Nachmittag erschweren außerdem Juden auf dem Weg zur Westmauer, vom Freitagsgebet auf dem Tempelberg kommende Muslime, und die Kreuzwegprozession der Franziskaner das Weiterkommen erheblich. Wir besuchten die Sionsschwestern im Ecce Homo (www.eccehomopilgrimhouse.com), und es war ein glücklicher Zufall, daß alle drei, Sr. Trudy, Sr. Rita und Sr. Bernadette, Zeit für einen Kaffee und Gespräch hatten. Neben der Freude über reges Interesse an den biblischen Schulungsprogrammen (www.biblicalformationcentre.com) des Hauses erfuhren wir von den besatzungsbedingten Mühen der palästinensischen MitarbeiterInnen.

Abends wanderten wir nochmals durch die Altstadt von Bethlehem und entdeckten die Musikgruppe der Pfadfinder der Syrisch Orthodoxen Kirche beim Proben für den Weihnachtsumzug.

One day in Bethlehem

Ein „Vater-Sohn Projekt“ von Rouven Lipps und Andreas Paul

Rouven (27) hatte schon länger den Wunsch Menschen und Organisationen zu erleben und Orte zu besuchen, zu denen es seinen Vater Andreas seit langem immer wieder hinzieht. Die beiden versuchten daher, in 11 Tagen möglichst viele Begegnungen und Erfahrungen unterzubringen. ein Ding der Unmöglichkeit…?

Als „Basislager“ durften wir im Gästehaus der Sionsschwestern in Ein Karem, Jerusalem zu Beginn, Mitte und Ende unserer Reise übernachten. Die herzliche Gastfreundschaft der vier Novizinnen und der verantwortlichen Sr. Juliana Baldinger NDS haben wir sehr genossen, ebenso wie die Begegnungen mit den anderen Schwestern der Gemeinschaft Notre Dame de Sion in Ein Karem. Für Rouven, der sich ansonsten viel im Kontext des „Global Ecovillage Networks“ (GEN) bewegt, war es bereichernd viele Elemente gemeinschaftlichen Lebens in dieser kirchlichen Umgebung wiederzufinden. GEN ist weltweites, konfessionsunabhängiges Netzwerk größerer und kleinerer Ökodörfer und Gemeinschaften, in welchen sich Menschen einem möglichst ganzheitlich nachhaltigem Leben verschrieben haben; ökologisch, ökonomisch, sozial, kulturell.

Den ersten Tag (Donnerstag 16.11.) nach der Ankunft verbrachten wir in Bethlehem mit Vertretern des Arab Educational Institute (AEI – www.aeicenter.org). Diese Partnerorganisation von Pax Christi International führt das „Sumud Story House“ (Sumud arab. صمود Festhalten, Standhaftigkeit) im Erdgeschoß eines Hauses direkt an der alten, vierspurigen Einfallstraße nach Bethlehem, welche heute von der neun Meter hohen Betonmauer abgeschnitten und geteilt wird. Hinter ihr befindet sich das Rachelgrab, welches extremistische religiöse Juden für sich alleine beanspruchen – die eng gewundene Mauer ermöglicht ihnen den Zugang.

Rania Murra, die verwitwete Tochter des Gründers Fuad Giacaman erzählte uns, wie sich Frauen regelmäßig zum Gespräch, Singen und Essen in dem Haus treffen, so, wie sie es auch bei sich zu Hause tun würden. Die Treffen wurden von einer Frau des Wohnviertels initiiert, welches durch die Mauer vom Aussterben bedroht ist. Um Abwanderung und Angst entgegenzuwirken versammeln sich die Frauen und sprechen über ihre Situation, Alltagssorgen und -freuden. Außerdem ist ein Jugendprojekt des AEI im Haus untergebracht.

Auf Grund gekürzter Fördergelder muß das Haus Anfang nächsten Jahres geschlossen werden, wenn sich keine neuen Mittel finden. Derzeit arbeitet Rania unentgeltlich und finanziert Miete und Betriebskosten mit privatem Geld. Sie führt gleichzeitig mit ihrem Sohn ein Kosmetikgeschäft. Jede Spende ist eine wertvolle Hilfe!

Fadi Abu Akleh, ein junger Medientechniker führte uns dann durch die Stadt und erzählte von seiner Zusammenarbeit mit dem ZDF. Am 24.11. wurde ein Konzert in der Katharinenkirche neben der Geburtskirche aufgenommen, welches am 24.12. (19:15 – 20:15, „Weihnachten in Bethlehem mit Markus Lanz“) gezeigt wird. Die Einladung zu dem Konzert nahmen wir letztlich nicht wahr: Besatzung, Mauer und nahezu kein öffentlicher Verkehr in Israel am Shabbath können auch nur 12 km zu einer Herausforderung machen.

Im Gespräch zu dritt erzählte uns Fadi von seinen Begegnungen mit syrischen Flüchtlingen in Deutschland. Eingeladen von Pax Christi Deutschland kam er mit jungen geflüchteten Männern aus dem Nahen Osten in Kontakt. Er erlebte, wie sich diese auf arabisch über die Qualität der Asylunterkünfte und ihre Behandlung als Asylsuchende beklagten. Fadi erlebte ein großes Anspruchsdenken, das er ihnen gegenüber in Frage stellte.

Zu zweit waren wir unterwegs zur Milk Grotto Church zurück zu unserem Quartier. Ein stechender Geruch ließ uns Zuflucht nehmen im Wi’am Center (www.alaslah.org) das Andreas von früheren Reisen her kannte. Das Zentrum für Konfliktlösung liegt Direkt an der Mauer. Wir spürten noch die Nachwirkungen eine fast tagtäglichen Tränengaseinsatz des israelischen Militär im nahe gelegenen Flüchtlingslager Ai’da Camp.

Das AEI organisierte uns als „Homestay“ eine Nacht im Haus der Familie Anastas, welches von drei Seiten von der Mauer umgeben ist. Die Familie lebt alleine in einem Doppel-Haus; Übernachtungsgäste und ein selten besuchter Souvenirshop sind eine geringe Einnahmequelle. Der Bruder, dem der andere Hausteil gehört ist mittlerweile mit Familie ausgewandert. Die Autowerkstätte des Vaters ist zusammen mit mehreren anderen vor einem Jahr vom israelischen Militär zerstört worden wegen des Verdachts illegaler Waffenproduktion. Mittlerweile wird zugestanden, dass es sich um eine Verwechslung gehandelt hat, Schadenersatz gibt es jedoch keinen.